Waiting 4

Das folgende Bild entstand, wie so viele im Jahr 2020, in Flacht

Als der Corona-Lockdown losging und wir uns eher zuhause aufhielten ging ich öfters als sonst die gleichen Wege während des Abendspaziergangs. Aber an Stelle der befürchteten Langeweile über die immer gleiche Landschaft kam plötzlich das Entdecken neuer Perspektiven. Etliche Jahre bin ich an diesem Hochsitz vorbei gelaufen und habe ihn dabei hartnäckig ignoriert. Bis an diesem Aprilabend die untergehende Sonne ein wunderschönes Lichtspiel auf die Szenerie geworfen hat. Ich habe mich dann allerdings dafür entschieden zu warten, bis das Licht noch günstiger war und das Motiv eher von vorne beleuchtete – also ging ich früh morgens noch einmal dort hin.

Vom Bildaufbau her habe ich mich dazu entschieden, dem Hochsitz nach rechts hin Platz zu lassen, damit „der Blick frei wird“ und der Betrachter immer wieder, der Ausrichtung des Hochsitzes gemäß, nach links blickt. In der Hoffnung, dass so das Auge des Betrachters „im Bild gehalten“ wird.

Der Text kam bei der „Entwicklung“ des Bildes. Das „Waiting 4 – worauf wartest Du?“ klingt für mich je nach Betonung ganz unterschiedlich. Ein schönes Beispiel dafür, wie viel Information durch bloße Schrift verloren gehen kann.

„Worauf wartest Du?“ Im Sinne von „Warum machst Du nicht endlich?“ war hier gar nicht meine Intention. Sondern eher das „Worauf wartest Du?“ im Sinne der inneren Sehnsucht, die in einem Menschen unmerklich Raum gewinnt aber Tag täglich unterdrückt wird. Bis jemand sich erdreistet zu Fragen und damit der gefragten Person hilft sich der wahren inneren Sehnsucht gewahr zu werden, die nach Erfüllung strebt.

Worauf wartest Du?

Ein Tisch für die Zukunft

Um den gesamten Post zu lesen, klicke oben auf die Überschrift – Hier ein Auszug… Im Februar 2020 fand die jährliche Rad-Tagung statt. Zentrales Thema war der Tisch. In der Designergruppe waren wir aufgerufen einen Entwurf zum Thema Tisch beizutragen. Also entstand eine der wenigen Auftragsarbeiten, die ich normalerweise eher scheue.

Während meinter Zivildienstzeit und noch viele Jahre danach, war der Tisch in unserer Wohngemeinschaft immer der zentrale Ort, an dem die Welt „neu verteilt“ wurde. Hier wurde diskutiert, philosophiert und Ideen entwickelt. Blicke ich heute darauf zurück, haben unsere Träume und Utopien nicht so ins Leben gefunden, wie wir es uns damals gewünscht haben. Aber die Zeit und dieser Ort am Tisch war prägend und hat uns als andere Menschen in eine Zukunft entlassen, die wir heute immer noch mitgestalten. Der Tisch als Treffpunkt von Menschen. Als Ort des Austauschs und des Kennenlernens. Als der Geburtsort eine besseren Zukunft, wenn wir es schaffen gleichgesinnte zu finden und auf Egoismen zu verzichten. Wenn wir es schaffen vom Träumen ins Handeln zu kommen. Das geschieht oft nicht von heute auf morgen, sondern benötigt Zeit. Aber eines ist sicher: Am Ende dieser Zeit entsteht eine neue Welt. Wie viel Besser? Wer vermag das voraus zu sagen?

So kam die Idee dieses Bildes zustande. In diesem Fall eines der seltenen Bilder, die nach dem Text entworfen wurden. Eine Tischplatte mit einer Kaffeetasse als Symbol für einen Ort, an dem wir uns Zeit zum Austauch nehmen. Eine Welt in der Mitte, die nur schemenhaft erahnt werden kann,

aber die letztlich Gegenstand all unseres Austauschs ist. Und ein Text der zwar einen Anfang aber kein Ende kennt und als Symbol einer Welt steht, die sich in einem ständigen Fluss der Veränderung befindet. Eine Welt voller Bedrohungen aber auch voller Potentiale.

Ich hoffe auf diesen Tisch der Begegnung, der uns den Raum schenkt eine neue und bessere Welt zu erdenken. Und ich hoffe auf die Kraft der Menschen von diesem Tisch aufzustehen und vom Reden ins Tun zu kommen.

…Tisch * X ==> Tafel + Menschen * Ideen ==> Potential + Gemeinsame Zeit – Gier ==> Utopie + Handeln * Zeit ==> Neue Welt…

Radtagung 2020

Gewaltig

Es ist der 24. August 2019 – wir stehen vor einem, mit seinen 612 Metern, höchsten Wasserfällen der Erde. Dem Langfoss in Norwegen. Ich glaube ich war noch nie so beeindruckt von der Gewalt dieses Elements.

Da wir uns schon auf der Rückfahrt befinden bleibt leider keine Zeit mehr dem Pfad auf den Berg zu folgen, um dieses Naturspektakel von oben zu sehen. Also schieße ich so viele Aufnahmen wie möglich von unten und merke, dass die Mächtigkeit dieser Szene sich nicht dadurch einfangen lässt, dass man diesen Wasserfall in der Totalen aufnimmt. Es ist der Ausschnitt, der die Größe vermittelt und mich fasziniert. Dieser formatfüllende Blick auf eine nahezu senkrechte und nicht enden wollende Wand aus Wasser, die sich irgendwie permanent verändert und doch die gleiche bleibt. Dieser Anblick provoziert mich nahezu alle möglichen Formen von Wassertropfen festhalten zu wollen.

So endet meine Session in einer Flut an Bildern, die ich nachher wieder mühsam reduzieren werde. Aber in diesem Augenblick fällt es mir nicht auf. Ich entschließe mich dazu den rechten Teil des Wasserfalls „weg zu lassen“. Aufnahmen zu beschneiden fällt mir generell nicht leicht, weil ich immer die Sorge habe etwas „dort“ zu lassen, an das ich danach nie mehr herankommen werden. Und trotzdem ist es dieses Mal gut so. Der Anschnitt des Wasserfalls zeigt, dass auf der rechten Seite noch mehr Wasser kommt. Wie viel bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen und macht ihn dadurch noch größer.

Die permanente Veränderung der Szenerie im Kleinen führt mich später auch zum Text dieses Bildes. Wie etwas so weiches wie ein einzelner Wassertropfen zu einer kraftvollen Gestaltungsmacht werden kann, wenn er sich mit anderen zusammenschließt und die Gunst des Augenblicks nutzt. Das wünsche ich mir für uns als Menschheit. Das wir als Gemeinschaft zu Gestalterinnen und Gestaltern werden, die etwas erschaffen, auf das die uns nachfolgenden Generationen mit Staunen, Anerkennung und Dankbarkeit blicken.

Wenn ich mir die Welt heute anschaue, scheint das noch ein langer Weg zu sein. Viel länger als 612 Meter. Aber ich will zuversichtlich bleiben.

Sanftheit die Berge formt,
wenn jeder sich beteiligt.
Die Schönheit schafft und Staunen lehrt,
die Leben weckt und Ehrfurcht mehrt.
Sie kann die Welt verändern.
Nur eines hat sie nie gelernt.
Sie hat es niemals eilig.

Norwegen im August 2019

Hoffnung

31. Oktober 2017 – Ein Abstecher nach Gibraltar brachte uns in eine absolut faszinierende Stadt.

Ich habe noch nie eine Landebahn gesehen, die eine Straße kreuzt und bei der Schranken geschlossen werden, wenn gerade ein Flugzeug startet oder landet, um den Straßenverkehr zu unterbrechen. Auf dieser engen Enklave Großbritanniens am Ende Spaniens gibt es das. Und noch mehr. „The Rock“, das Wahrzeichen dieser Halbinsel an der Meerenge zwischen Afrika und Europa in der das Mittelmeer in den Atlantik übergeht ist eine weitere faszinierende Landmarke. Dieses Naturschutzgebiet ist der einzige Rückzugsort in Europa für über 250 Berberaffen, die zum teil bedenklich zutraulich auf Touristen reagieren und zu denen ich tunlichst Abstand hielt.

Mit seinen 426 Metern höhe ist er ein optimaler Aussichtspunkt für Touristen. Im zweiten Weltkrieg war er einer der Pfeiler für die Verteidigung der Einfahrt ins Mittelmeer. Entsprechend gibt es auf dem Berg auch noch etliche alte Befestigungsanlagen. Etwas abseits der Touristenpfade habe ich diese verfallene Gebäude gefunden. Mich hat das linke Fenster fasziniert, das mit normalen Steinen wie notdürftig „zugemauert“ wirkt.
Ich kenne die Geschichte dieses Gebäudes und den Grund für diese „Mauer“ nicht. Ich habe aber gelesen, dass die Festung während des 2. Weltkriegs aus Sorge vor einem Angriff der Deutschen ausgebaut wurde.

Vielleicht wurde in diesem Zuge auch dieses Fenster notdürftig verschlossen. Dieses sorgenvolle Handeln brachte mich auf die Idee zu dem Text für dieses Bild. Und natürlich wollte ich noch unbedingt den Vogel auf dem Bild festhalten, der sich freundlicherweise als Fotomodell anbot. Man weiß ja nie, wie lange sich so ein gefiederter Freund Zeit nimmt. Folglich musste ich mich ein wenig beeilen. Aber seine Anwesenheit fest zu halten war mir wichtig. Denn während mir von meinem Standpunkt aus nur der Blick auf diese Wand und den neblig blauen Himmel dahinter blieb, sah er doch schon die Weite der Landschaft. Als ob er über alle Sorge erhaben wäre.

Gibraltar im Oktober 2017

Vergangenheit und Zukunft

13. Juni 2015. Ich kann mir als auf der Alb aufgewachsener Schwabe zwar nicht erklären, was ein Stahlwerk mit einem Landschaftspark zu tun hat, aber in Duisburg scheint das kein Widerspruch zu sein. Zumal der Landschaftspark Duisburg mit seinen gewaltigen alten Maschinen ein wahrhaftes Eldorado für Fotografen ist. Auch an diesem Tag war das so. Es wuselte regelrecht vor Menschen und meine Frau und ich waren zwei davon.

Dieser alte Hochofen hatte es mir angetan. Das Wirrwarr aus Leitungen die früher einmal alle irgendeine Funktion erfüllten spiegelte für mich eine beachtliche Ingenieurskunst wieder. Und das in Kombination mit der Mächtigkeit dieser Anlage bewog mich dazu ein Bild aus der Froschperspektive aufnehmen zu wollen. Einfach um die Größe noch zusätzlich zu unterstreichen.

Also legte ich mich zwischen all dem Gewusel mit der Kamera auf den Boden und wartete bis das Bild nahezu Menschenleer war. Was durchaus den ein oder anderen verwunderten Blick einbrachte, weil ich so eine ganze Weile im Dreck lag bis das Motiv frei von Menschen war. Bis auf zwei, die sich beharrlich weigerten. Das eine war ein Security-Mann

und das zweite war meine Frau. Irgendwann gab ich auf. So wurde diese Bild eines der wenigen, aus denen ich im Nachhinein von Hand bedeutende Bildelemente herausretuschierte.


Was bei all den Menschen auf dem Gelände aber trotzdem greifbar war, war die Verlassenheit dieser langsam verfallenden Anlage. Ich habe mir vorgestellt wie es wohl war, als die Maschinen noch liefen und die Menschen keine Touristen sondern Arbeiter waren. Wie die Hitze und der Staub einem entgegen schlugen und die Arbeiter auf diesem Gelände einen bedeutenden Beitrag zum großen Traum von allgemeinem Wohlstand leisteten.

Heute liegt diese Anlage verlassen und zerfällt langsam vor sich hin. Auch wenn sie als Industriedenkmal erhalten bleiben wird, ist sie dennoch nur noch ein Mahnmal alter Träume und führt uns die Vergänglichkeit unseres Strebens vor Augen. Diese Träume sind tot. Was mich jedoch zuversichtlich stimmt ist, dass wir als Menschen in der Lage sind uns neue Träume und Ziele zu suchen. Und das wir mit unserem Wissen und unserer Erfahrung in der Lage sind diese auch zu einem beachtlichen Teil um zu setzen.

So entstand dann auch der Text, der einladen möchte nicht krampfhaft und verbittert an Altem fest zu halten, sondern dankbar für das vergangene und zuversichtlich auf das kommende zu blicken. Wir als Menschen haben das Potential dafür geschenkt bekommen und wir sollten es auch nutzen.

Stolze Träume sind gestorben.
Seelenscherben liegen rings umher.
Demut, Dankbarkeit und Zuversicht soll daraus werden.
Denn Tod heißt immer auch neues Leben.
Und wo uns die Vergangenheit die Perspektive nahm,
soll uns die Zukunft eine neue geben.

Duisburg im Juni 2015

Was war zuerst?

In den letzten 13 Jahren wurde ich bei Ausstellungen immer wieder gefragt, was denn zuerst da wäre? Das Bild oder der Text?

Tatsächlich lässt sich das nicht generell beantworten. Viele Bilder schlummern lange in der Schublade und viele Texte warten Jahre im Textbuch bis sie eines Tages aufeinander treffen und zu einem Paar werden. Äußerst selten sind hingegen die Momente, in denen ein Text nach einem Bild verlangt und ich dieses Bild extra dafür kreiere. Was hingegen häufiger passiert ist das mir ein Bild einen Text „zuflüstert“ wenn man ihm lange genug still zuhört.

In diesen Fällen ergibt sich ein schöner Prozess, der mich im ersten Schritt beim Fotografieren ganz im Augenblick und der Wahrnehmung dessen ankommen lässt, was gerade ist. Heute gern mit dem Begriff „Achtsamkeit“ umschrieben. Und der mir im zweiten Schritt die Beschäftigung mit unterschiedlichsten Aspekten des Lebens schenkt. Dieses „den eigenen Bildern zuhören“ wurde dann auch vor einigen Jahren ein Konzept, das ich anderen Menschen in Kursen näher bringe.

Denn im Grunde genommen ist es doch viel spannender zu hören, was einem die eigenen Bilder sagen, als das, was einem Fremde versuchen zu vermitteln. Die einzige Voraussetzung, die man dazu mitbringen sollte ist es, Stille ertragen zu können. Denn Bilder reden in der Regel leise.

Die „Werkstatt“ soll Dir einen kleinen Einblick ermöglichen wie meine Bilder und Texte enstehen.