2024 009 Randfigurenquartett

Die Geschichte zu den Bildern

Den Impuls zu diesem „Randfigurenquartett“ erhielt ich durch das Bild vom Bodensee bei Bad Schachen. Die Menschen, die dort am Strand entlang spazierten, wirkten in ihrer silhouettenhaften Erscheinung zwischen den großen Bäumen vor dem Hintergrund des Sees und der Alpen wie Zwerge auf einer viel zu großen Bühne. Der Titel „Randfiguren“ drängte sich geradezu auf.

Beim Durchstöbern meiner Bilder nach weiteren „Randfiguren“ begegneten mir die drei anderen Motive.

Das Schiff, das vor der Küste Korsikas früh morgens – aus dieser Distanz lautlos – seines Weges zog und vor der Kulisse des morgendlichen, mit Wolken bedeckten, Meeres wie eine unbedeutende, bald der Vergangenheit angehörige Randnotiz in der endlos erscheinenden Weite der See wirkte.

Die Hütte in einem Hochtal bei Samnaun in der Schweiz, die gerade zu beiläufig am Wegrand stand und, wenn man nicht von oben auf sie herunterschaute, sondern dort entlang wanderte, keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zog.

Und das Kreuz in der Kirche, das an dieser maroden Mauer hing, als wäre es dort vergessen worden und als wollte sich jemand mit der Rose darunter dafür entschuldigen.

Alles irgendwie „Randfiguren“. Auf dem Berg in Korsika spielte dieses Schiff für mich genauso wenig eine Rolle wie die Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes mir den Blick verstellten oder die Hütte, für die sich keiner, der dort vorbeiging, interessierte, und das Kreuz, das in der kühlen, feuchten Kirche sich selbst überlassen schien.

Wie hängen all diese Motive zusammen? In keinem der Bilder nehmen diese „Randfiguren“ eine zentrale Rolle ein. Es sind eben „Randfiguren“. Man mag sie missachten, übersehen, geringschätzen oder am liebsten aus dem Bild verbannen wollen. Und doch verändern sie die Szenerie. Setzen zum Teil unbemerkt Schwerpunkte und Akzente, ohne die „etwas“ fehlen würde. Sie verändern auch als Randfiguren ihre Welt.

Auch unser Glauben wird getragen von einer Randfigur. Von den „Wichtigen“ dieser Welt geringgeschätzt und abgeschafft, und doch, im wörtlichen Sinne, nicht tot zu kriegen. Weltverändernd. In all ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit hat diese „Randfigur“ sich dazu entschlossen, uns nicht zu verlassen, als sie von uns verlassen wurde. Ein Gott wie dieser hätte es nicht nötig, sich mit uns „Randfiguren“ zu beschäftigen. Er braucht uns wirklich nicht. Aber er will nicht ohne uns.

Möge diese „Randfigur“ uns ein Vorbild und eine Ermutigung sein, wenn wir uns einmal wieder selbst als „Randfigur“ fühlen. Wir sind wertgeschätzt. Und wir können mehr, als wir glauben wenn der mit uns ist, an den wir glauben.

Bilder und Text

Randfiguren – Verlassen die Weltgeschichte heimlich und leise. Niemand vermisst sie.

Randfiguren – Spielen keine große Rolle auf der Bühne des Lebens. Niemand braucht sie.

Randfiguren – Stehen abseits bedeutender Bewegungen. Niemand beachtet sie.

Randfiguren – Verlassen, bedeutungslos, missachtet. Sie vermögen alles zu verändern.

Daten zu den Bildern

Bildnummern: Lyrimage_170614_unbenannt_00091-Verbessert-RR; Lyrimage_20230101_Bodensee_00027-Bearbeitet; Lyrimage_200909_Samnaun_00022; _DSC0529

Schlagwörter:

2024 001 Bank am Ufer

Die Geschichte zum Bild

Diese Bank und diese Allee habe ich am Bodensee gefunden. Gerade im Winter, wenn die Bäume ihre Blätter verloren haben, können Bäume mit dem Wirrwarr ihrer Äste eine ganz besondere Faszination ausüben. So hat mich auch dieser Tunnel aus Ästen besonders in seinen Bann gezogen. Sonntagmorgens um 9:00 Uhr am 1.1.2023 haben sich die meisten Menschen noch von der vorabendlichen Silvesterfeier erholt. So hatte ich die Allee beinahe für mich alleine. Es ist ein Vorrecht, solche menschenleeren Szenarien erleben zu dürfen.

Der Text fiel mir erst später in einem anderen Zusammenhang ein. Aber ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie ein alter Mönch auf dieser Bank zufrieden und dankbar auf die Schönheit des Sees blickte, während seine Brüder der Allee entlang wandernd in ihre Gedanken versunken waren. Und ich konnte ihn vor mir sehen, diesen jungen, ehrgeizigen Bruder, der mit aller Kraft der Jugend danach jagte, sein Glück zu finden, und dabei den eigentlichen Reichtum des Lebens darüber fast vergaß.

Der Unterschied zwischen einem getriebenen und einem in sich ruhenden Menschen mag in der Frage begründet liegen, ob ein Mensch etwas haben will, auf das er stolz sein kann, oder ob er sich an dem erfreut, was ihm an Möglichkeiten geschenkt wurde. Und wenn auch das Ergebnis nach außen hin dasselbe sein mag, kann es nach innen über die Frage von Glück und Unglück entscheiden.

Bild & Text

Ein Schüler, der Tag um Tag in einem Kloster all seine Übungen vollzog um Glücklich zu werden, traf seinen Meister als dieser zufrieden im Klostergarten auf einer Bank saß und auf den See blickte. Voller Stolz erzählte der Schüler dem Meister: „Meister, ich habe es heute das allererste Mal geschafft alles, was ich mir vorgenommen habe, zu erreichen.“ Der Meister legte dem jungen Mann lächelnd seine Hand auf die Schulter und sagte: „Oh, das ist schön. Ich gratuliere Dir! Und bist Du glücklich?“ „Ja“, antwortete der Schüler ebenfalls mit einem Lächeln.

Am nächsten Tag kam der Schüler wieder zu seinem Meister. Abermals voller Stolz aber etwas müde sagte er: „Meister, ich habe es heute wieder geschafft alles, was ich mir vorgenommen habe, zu erfüllen.“ „Oh, das ist schön“ sprach der Meister abermals, legte dem jungen lächelnd seine Hand auf die Schulter und fragte: „Und bist Du glücklich?“ Nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens sagte dieser „Ja, ich bin etwas müde, aber sehr glücklich.“  „Das freut mich“, erwiderte der Alte.

Am dritten Tag kam der Schüler ebenfalls zu seinem Meister. Und am vierten, am fünften, am zehnten und auch am hundertsten Tag. Jedes Mal voller Stolz und ein wenig erschöpfter.

Am tausendsten Tag nun stand der Schüler nahezu kraftlos vor seinem Meister, der wieder auf der Bank im Garten saß und zufrieden auf den See blickte und frage ihn: „Was mache ich falsch? Ich gewinne zwar an Glück aber verliere immer mehr an Kraft.“ „Dein Glück ist Dein Stolz“ antwortete der Alte. An dem Tag aber, an dem die Dankbarkeit Dein Glück wird, wirst Du auch die Kraft zu leben wiederfinden. Denn Du hast nicht einen einzigen Grund Stolz, aber tausend Gründe dankbar zu sein.“

Daten zum Bild

Bildnummer: Lyrimage_20230101_Bodensee_00003
Schlagwörter: